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Eine Weihnachtsgeschichte

Die Großmutter schimpfte ein wenig, als ihr eines der bunt verpackten Weihnachtsgeschenke auf den harten Boden vor ihrem Gestüt fiel. Die Hände voller Pakete, brauchte sie wesentlich länger als sonst, um den Schlüssel in das Schloss ihrer Haustür zu stecken. Nach drei Anläufen hatte sie es geschafft und die schwere Wohnungstür aus Eichenholz öffnete sich mit einem lauten Knarzen. Obwohl die Großmutter den Winter und besonders Weihnachten schon seit ihrer Kindheit über alles liebte, war sie froh, als sie ihr Wohnzimmer betreten und die kalte Luft, der ihr mit einem leichten Stich in die Nase wehte, loswerden konnte. Sie stellte ihre Einkäufe auf einen großen Tisch, der, wie sie wusste, in weniger als einer Woche ein köstliches Weihnachtsmahl für sie und ihre Familie bereithalten würde. Dann zog sie ihren Mantel aus. Dabei fiel ihr getrübter Blick auf das neue Bild von ihren drei Enkelkindern: Die elfjährige Gabriele, die neunjährige Rebecca und die sechsjährige Melanie, die gerade den Kindergarten verlassen und ihr erstes Halbjahr an der Grundschule hinter sich gebracht hatte. Sie freute sich schon riesig auf ihren Besuch.

 

"In einer knappen Woche ist Weihnachten.", sagte sie mehr zu dem Bild als zu sich selbst. "Dann kommt ihr mich mit euren Eltern besuchen." Aber bis dahin hatte die Großmutter noch jede Menge mit den Vorbereitungen zu tun. Ihr Sohn konnte machen und tun, was er wollte, er schaffte es nicht, seine Weihnachtsplätzchen auch nur annähernd so köstlich zu gestalten wie sie. Es war also kein Wunder, dass Gabriele, Rebecca und Melanie sich auf das leckere Gebäck ihrer Großmutter stürzen würden. Dieses Jahr würde sie sich endlich an die Vanillekipferl wagen, die sie schon so lange hatte backen wollen. Bisher konnte sie sich nicht dazu überwinden, da die Küche anschließend immer einem Schlachtfeld glich und jeder Putzkraft das pure Grauen auf das Gesicht zaubern würde.

 

Außerdem war auch noch der riesige Tannenbaum zu schmücken und einige Geschenke mussten auch noch eingepackt werden. Bei diesem Stichwort fiel der Großmutter wieder ein, dass sie ihren Enkelkindern dieses Jahr ein ganz besonderes Geschenk machen würde: Gabriele, Rebecca und Melanie würden sich dieses Jahr endlich jeweils ein Pferd aussuchen dürfen. Jahrelang hatte die Großmutter den Hof nahezu alleine gepflegt und selbstbewusst durch alle möglichen Schwierigkeiten gesteuert. Um sie herum hatten mit den Jahren nahezu alle Gestüte schließen müssen, aber aufgrund ihres Durchhaltevermögens und kluger geschäftlicher Ideen war ihr Hof bestehen geblieben. Aber diese anstrengende Zeit hatte ihren Tribut gefordert, und der Großmutter fiel es immer schwerer, den Hof im Alleingang zu führen. Aus diesem Grund musste sie nach und nach Verantwortung abgeben. Und drei ihrer jüngsten Pferde waren in ihren Augen das perfekte Weihnachtsgeschenk für ihre Enkelinnen. Lächelnd betrat sie den Stall und begutachtete die drei Pferde, die sie nach den Heiligen Drei Königen benannt hatte: Caspar, Melchior und Balthasar. Caspar war das jüngste von ihnen und noch ziemlich verspielt. Jedes Mal, wenn die Großmutter den Stall betrat, wieherte es vergnügt und streckte seinen Kopf neugierig heraus. Fast schien es, als ob das Pferd, das fast noch ein Fohlen war, seiner Besitzerin kaum merklich zuzwinkerte.

 

"In Kürze werde ich euch für meine drei Enkelkinder herrichten.", sagte die Großmutter zu dem Pferdetrio. Zielstrebig ging sie auf Caspar, Melchior und Balthasar zu und streichelte ihre bereits geneigten Köpfe, die allesamt so aussahen, als würden sie diese Form der Zuneigung ganz besonders genießen. "Allerdings werde ich euch in den Stall nebenan bringen.", meinte sie schließlich. "Dann kann ich euch durch das Wohnzimmerfenster aus beobachten und eure niedlichen schwarzen Augen rund um die Uhr sehen. Außerdem bin ich dann nicht mehr so alleine." und so kam es, dass die drei Pferde in den Stall nebenan gebracht wurden und der Großmutter dabei zuschauen konnten, wie sie den Hof für das Weihnachtsfest herrichtete. Sie gluckste vergnügt, als sie das Tannengrün am Geländer anbrachte, hin und wieder einen Räucherkegel anzündete und die Lichterketten an den Bäumen befestigte. Und als es wenige Tage vor Heiligabend anfing zu schneien, war die Großmutter ganz begeistert. Verzückt beobachtete sie, wie die dicken Flocken auf den Fenstersims fielen und den Hof in eine magische Schneelandschaft zu verwandeln schienen. Dabei empfand die alte Dame jedoch auch ein wenig Mitleid mit den Stadtmenschen, die statt des feinen Puderzuckers, der auf dem Land gang und gäbe war, nur matschige, graue und von Reifenspuren zerstörte Klumpen vorfanden, welche die Kinder nicht zum Spielen einluden und binnen weniger Stunden zu ungemütlichen Eisklumpen wurden, die den Verkehr erheblich verlangsamten. Dabei fiel ihr ein, dass ihr Sohn schon längst zu ebendiesen Stadtmenschen gehörte. Früher hatte er Weihnachten ebenso geliebt wie seine Mutter, aber mit der Zeit hatte ihn seine übermäßige Zielstrebigkeit den Zauber der Festtage gekostet. Viel zu selten nahm er die Einladungen seiner Mutter an, weshalb sie ihre Enkelkinder nicht jedes Jahr sehen konnte. "Vielleicht", sagte die Großmutter laut zu sich selbst, "ist das der Grund für seine miserablen Weihnachtsplätzchen. Wer nicht mit Liebe an die Sache herangeht, kriegt sie auch nicht in einem simplen Teig unter."

 

In Folge dieses schweren Gedankengangs fiel der Großmutter plötzlich ein, dass der Januar keine zwei Wochen mehr entfernt war. Wie jedes Jahr wollte sie eigentlich nicht daran denken, dass der ganze Weihnachtszauber temporär begrenzt war. Seit sie sich erinnern konnte, fand sie den Januar schon immer scheußlich: Die verblieben Weihnachtsdekoration erinnerte sie regelmäßig daran, wie schön die vergangene Adventszeit gewesen ist. Die hellen Lichterketten und bunt geschmückten Weihnachtsbäume um sie herum verschwanden nach und nach und hinterließen Jahr für Jahr eine kalte und graue Landschaft. Die Temperaturen stürzten regelmäßig so stark ab, dass es oft schneite. Allerdings konnte die Großmutter mit Schnee im Januar nichts mehr anfangen, da er lediglich den nervigen Nebeneffekt hatte, dass der ortsansässige Schaffner, der ihr sowieso zuwider war, nur die Unzuverlässigkeit der Bahn legitimieren konnte, die ohnehin nur zweimal am Tag im Ort auftauchte und die alte und mehr als verlässliche Dame oft in Schwierigkeiten brachte. Wenn es nach ihr gegangen wäre, würde jedes Jahr mit dem Frühling anfangen. Sie bildete sich nicht selten etwas darauf ein, dass sie ihren Weihnachtsbaum jedes Jahr als letzte Person im Ort entsorgte. Allerdings wusste sie noch nicht, dass schon in Kürze etwas passieren würde, das ihr den Glauben an den Geist der Weihnacht so stark vor Augen führen würde wie keine Begebenheit zuvor.

 

Jedenfalls trug es sich zu, dass Caspar, Melchior und Balthasar die Tage mit der Großmutter verbrachten. Im neuen Stall hatten die drei Pferde es stets mollig warm, auch nachts, wenn sie schliefen. Interessiert schauten sie durch das große Fenster im Stall hinaus und erspähten ihre Besitzerin immer wieder bei den üppigen Weihnachtsvorbereitungen. Immer, wenn die Oma an ihnen vorbeikam, wurden sie liebevoll gestreichelt. Sie hatten die Großmutter in den letzten Wochen und Monaten richtig liebgewonnen, merkten jedoch, dass ihre Zeit auf dem Hof begrenzt war und sich in Kürze dem Ende zuneigen würde. Und da auch Tiere über eine Sprache verfügen, konnten Caspar, Melchior und Balthasar diesen Umstand sogar untereinander diskutieren.

"Hoffentlich sind unsere neuen Besitzerinnen nett zu und!", bangte Caspar, der den besten Blick in die alte Stube der Großmutter hatte und mit einer Mischung aus Aufregung und Angst den Abreißkalender begutachtete, der ihren Abschied immer näherbrachte. Fast wurde ihm ein wenig flau, wenn er an den bevorstehenden Abschied dachte und wünschte sich, die Zeit anhalten zu können. Caspar wusste nicht genau, wann sie abgeholt werden sollten, aber jedenfalls musste die Oma vorher noch ihre Weihnachtsplätzchen backen. Das hatte das Fohlen herausgehört, als die Großmutter mit einer Bekannten telefoniert hatte.

"Jetzt mach dir doch nicht so viele Sorgen!", sagte Balthasar, das älteste der drei Pferde. "Großmutter redet in den höchsten Tönen von ihren drei Enkelinnen. Ich bin mir sicher, dass sie uns gut behandeln werden. Mädchen, die sich für Omas Backkünste interessieren und auf ihre Plätzchen stürzen, können unmöglich schlechte Menschen sein." Melchior nickte zustimmend, und so schlief Caspar ein wenig beruhigter ein, auch wenn er immer noch ein wenig zögerlich wirkte.

 

Zwei Tage vor Weihnachten warteten die drei Pferde vergeblich darauf, dass die Großmutter - wie sie es jeden Morgen tat - in ihren Stall kam und sich um sie kümmern würde. Was war denn nur los? Sie spitzten ihre Ohren und hörte, wie Oma zwischen Husten und Niesen mit einem Arzt telefonierte. Sie wussten, wer es war: Dr. Werner Frentzen, der die Großmutter immer behandelte, wenn sie körperliche Beschwerden hatte. Oma war eine zähe Frau, die auch dann noch hart arbeitete, wenn sie es eigentlich nicht mehr tun sollte. Wenn sie den Doktor rief, dann zählte es also sozusagen doppelt. Aus diesem Grund verhieß es nichts Gutes, wenn die Großmutter den Arzt von sich aus anrief und ihn bat, zu ihr nach Hause zu kommen. Caspar, Melchior und Balthasar tauschten besorgte Blicke aus und warteten auf die Ankunft des Arztes. Nur eine knappe halbe Stunde nach dem Telefongespräch kam Dr. Werner Frentzen mit seinem alten Auto auf den Hof gefahren und untersuchte die alte Dame im Wohnzimmer.

 

"Ich fürchte, sie haben eine schwere Erkältung.", meinte er mit einem besorgten Gesichtsausdruck. "Sie müssen sich auf jeden Fall schonen. Ich empfehle Ihnen Bettruhe und werde Ihnen ein pflanzliches Medikament verschreiben."

Die Großmutter fiel aus allen Wolken und erzählte dem Arzt von ihrem bevorstehenden Besuch: "Ich habe noch sehr viel zu tun!", würgte sie zwischen einem langen Hustenanfall hervor. "Verstehen Sie doch bitte: Meine Enkelkinder kommen aus der Stadt. Ich muss das Wohnzimmer noch zu Ende dekorieren und die Weihnachtsplätzchen backen."

Der Doktor ließ jedoch nicht mit sich reden: "Wenn Sie Heiligabend wieder halbwegs auf dem Damm sein wollen, müssen Sie jetzt ins Bett. Sie könnten sich natürlich auch überanstrengen, aber ich fürchte, dass das Weihnachtsfest für Sie dann endgültig ins Wasser fallen wird. Ich weiß, dass Sie immer alles perfekt haben wollen, aber mit Blick auf ihre Gesundheit muss ich Sie leider enttäuschen."

Obwohl die Großmutter schon immer zäh und ausdauernd gewesen war, hatte sie noch nie zu den Personen gehört, die eine ärztliche Diagnose ignorieren. Wie oft hatte sie schon ihre Nase über die Stadtmenschen gerümpft, die sich sogar mit der schwersten Grippe in den Gliedern und 40 Grad Fieber zur Arbeit schleppen, um ihrem Chef zu gefallen. Zweifellos in der verbitterten Hoffnung, ihr abgestumpfter Boss möge sich, wenn es am Ende des Jahres schließlich darum gehen würde, die kommenden Entlassungen und Gehaltserhöhungen zu debattieren, genau an dieses Bild erinnern. Aus diesem Grund fügte sich die Großmutter in ihr Schicksal. Als der Doktor weggefahren war und sie sich in ihr warmes Bett legte, konnte sie jedoch nicht verhindern, dass ihr eine Träne aus dem Auge sickerte, bevor sie in einen unruhigen Schlaf fiel.

 

Das erste Entsetzen war inzwischen aus den Gesichtern von Caspar, Melchior und Balthasar gewichen. Sie wussten, dass sie nun zwei lange Tage und eine Nacht ohne Oma auskommen mussten. Auch sie machten das Beste aus der Situation, allerdings fuhr Melchior in der Nacht zum Heiligen Abend erschrocken aus dem Schlaf: "Die Weihnachtsplätzchen!", rief er plötzlich so laut, dass Caspar und Balthasar ebenfalls aus dem Schlaf gerissen wurden. "Aufgrund ihrer Krankheit ist die Großmutter gar nicht dazu gekommen, die Vanillekipferl zu backen, die sie dieses Jahr endlich in Angriff nehmen wollte!"

Balthasar, der Melchior einen Moment lang dafür rügen wollte, dass er ihn dermaßen unsanft geweckt hatte, machte große Augen. "Was soll nur aus den Enkelkindern werden, wenn sie sich auf die leckeren Plätzchen freuen und stattdessen nur einen leeren Keksteller vorfinden werden?", fragte er verzweifelt in die Runde.

In solchen Momenten erweist es sich häufig als Glücksfall, wenn man mit kindlicher Naivität an ein Problem herangehen kann. Und so war es ausgerechnet der junge Caspar, der halb im Scherz sagte: "Na, das liegt doch klar auf dem Huf, oder? Wir müssen die Vanillekipferl für Oma backen."

Melchior und Balthasar starrten sich einen verblüfften Moment lang an und fingen plötzlich an, lachend zu wiehern. Es war eine Mischung aus Arroganz, Hochnäsigkeit, Zorn und Belustigung, mit der sie ihr junges Geschwisterpferd in diesem Moment behandelten.

"Was können wir denn schon ausrichten?", fragte Balthasar skeptisch. "Wir sind nur Pferde und nicht der Weihnachtsmann."

Caspar blieb erstaunlich gelassen und antwortete: "Ohne seine Rentiere ist auch der Weihnachtsmann nicht viel mehr als ein überbeschäftigter Mensch. Oma ist krank, nur wir sind noch da. Wer sollte es denn sonst tun?"

Balthasar blickte Caspar noch einmal erstaunt an und wandte seinen Kopf anschließend wieder Melchior zu. Er hatte die Hoffnung, dass Melchior ihm auch diesmal beipflichten und laut loswiehern würde, aber überraschenderweise sah er plötzlich nachdenklich aus und schien Caspars Vorschlag ernsthaft in Erwägung zu ziehen.

"Wenn wir das schaffen würden, wäre das ein Wunder!", schnaubte Balthasar. Er hatte die Hoffnung, Caspar die Sinnlosigkeit seines Plans mit Schärfe vor Augen zu führen, ärgerte sich aber schon bald über sich selbst: Wie er zugeben musste, war es tatsächlich der einzige Ausweg aus der sich anbahnenden Misere.

"Ja, das wäre ein Wunder.", wiederholte Caspar ruhig. "Aber ist Weihnachten nicht die beste Zeit für ein Wunder dieser Art?"

Auf diese Frage wussten Melchior und Balthasar keine Antwort. Mit einer Mischung aus zögerlichem Enthusiasmus und Restzweifeln stand Balthasar jedoch plötzlich auf und übernahm die Initiative.

"Gehen wir in die Küche und machen uns an die Arbeit!", sagte er bestimmend.

 

Schnell, aber leise liefen die drei Pferde in das Haus und gingen in die Küche, die glücklicherweise groß genug für sie war. Sie achteten sorgfältig darauf, keinen Lärm zu machen, damit die Großmutter nicht geweckt würde. Mit dieser Technik konnten sie sich in dem Haus, das ihnen nicht unvertraut war, problemlos bewegen. Es war ein großes Glück, dass die Großmutter das benötigte Backbuch bereits aufgeschlagen auf den Tisch gelegt und mit gelben Zetteln versehen hatte. Auf diese Art und Weise konnten Caspar, Melchior und Balthasar problemlos erkennen, welche Arbeitsschritte als nächstes folgen würden. Balthasar, der die menschliche Sprache am besten verstand, las Caspar und Melchior die Instruktionen vor. Melchior, der die kräftigsten Läufe hatte, rollte und knetete den Teig. Caspar, als der zierlichste und geschickteste des Trios, stach den Teig aus und formte die einzelnen Kipferl. Vorsichtig hoben die Pferde die Plätzchen auf das Backblech und schoben es in den Ofen. Caspar konnte es nicht lassen und naschte dabei unentwegt vom Teig.

"Hör auf damit!", ermahnte ihn Balthasar, als Caspar in einem scheinbar unbeobachteten Moment erneut zugeschlagen hatte. "Sonst ist dir morgen ganz schlecht! Willst du vielleicht einen schlechten Eindruck auf deine neue Besitzerin machen?"

Caspar ließ sich jedoch nicht beirren und naschte erneut vom Teig, woraufhin Melchior genervt wieherte und dem jungen Fohlen die Schüssel wegnahm. "Lass noch was für die Menschen übrig!", sagte er leise, aber streng.

Die drei Pferde merkten gar nicht, dass sie bereits stundenlang in der Küche standen und an den Weihnachtsplätzchen werkelten, die bereits goldbraun gebacken waren. In regelmäßigen Abständen ließ der Ofen ein lautes und hohes Geräusch ertönen, das ihnen klarmachte, dass die Plätzchen fertig waren. Caspar, Melchior und Balthasar verfolgten das Geschehen mit einer Mischung aus Aufregung und Furcht: Zwar genossen sie es, die fertigen Früchte ihres Werks zu betrachten, allerdings plagte sie gleichzeitig die Angst, dass die Großmutter ihnen doch noch auf die Spur kommen und sie auf frischer Tat ertappen würde. Sie wussten nicht einmal, warum sie dieser Gedanke so bedrückte, aber wahrscheinlich lag es daran, dass sie drauf und dran waren, der gütigen Dame ein Geschenk zu machen. Und wer will sein Geschenk schon vor der Bescherung öffnen?

 

Nach langer Zeit war endlich aller Teig verbacken. Während Melchior schon die Küche aufräumte, bestäubten Caspar und Balthasar die Vanillekipferl noch mit feinstem Puderzucker, der sie an den glitzernden Neuschnee erinnerte, der in den letzten Tagen gefallen war und dafür sorgte, dass ihre Hufe Spuren hinterließen. Die würden sie unbedingt noch verwischen müssen.

Die harte und für Pferde höchst ungewöhnliche Arbeit forderte langsam ihren Tribut: Caspar, Melchior und Balthasar mussten gegen die plötzlich eintretende Müdigkeit ankämpfen. Immer wieder fielen ihnen ihre pechschwarzen Augen zu. Einmal verharrte Melchior ein paar stille Sekunden lang auf dem Esstisch, der voller Puderzucker war. Er überlegte, der Erschöpfung nachzugeben und einfach einzuschlafen, als sein Blick auf die Küchenuhr fiel: Es war schon weit nach Mitternacht, der Heilige Abend hatte also bereits begonnen. Er gab sich einen Ruck, stand wieder auf und machte sich erneut an die Arbeit. Als sie fertig waren und sich gewaschen hatten, betrachteten sie noch einmal voller Genugtuung ihr Werk.

"Sind das aber schöne Weihnachtsplätzchen!", stellte Balthasar entzückt fest. Von seinen anfänglichen Zweifeln in Bezug auf Caspars Vorschlag war offensichtlich nicht viel übrig geblieben. Die drei jungen Pferde freuten sich schon auf Omas Gesicht, wenn sie in die Küche kommen und das süße Gebäck entdecken würde. Müde von der vielen Arbeit schlichen sie zurück in ihren Stall. Caspar ließ seine beiden Brüder vorgehen und ging leisen Schrittes nochmal zurück an den Küchentisch: Dort hatte er nämlich etwas vom Teig versteckt, den würde er jetzt noch schnell und heimlich vernaschen. Er ließ sich die köstliche Mischung im Mund zergehen und konnte plötzlich nachvollziehen, warum die Menschen im Allgemeinen und die Enkelkinder der Großmutter im Besonderen von Weihnachtsplätzchen so angetan waren. Seine Nüstern blähten sich vor Glück, als er in den Stall zurücklief und einschlief. Und während sein Kopf immer schwerer wurde war ihm, als würde er eine wärme verspüren, die nichts mit der Wärme des Stalls zu tun hatte: Es war die wohlige Wärme der guten Tat. Die Gewissheit, etwas Richtiges und Wichtiges getan zu haben. Die Befriedigung darüber, dass man einem geliebten Menschen in Not helfen konnte. Und so verstand selbst ein einfaches Pferd den Sinn von Weihnachten: Es kam nicht darauf an, sich die hellste Lichterkette in den Vorgarten zu hängen, den größten Baum zu schmücken oder das leckerste Gericht zu zaubern, sondern darauf, etwas von sich selbst zu geben. Dieser Gedanke beflügelte Caspar, und als er schließlich fest eingeschlafen war, träumte er, dass er wie Pegasus durch die Luft fliegen könnte.

 

Am nächsten Morgen wurde die Großmutter sehr zeitig wach. Sie war immer noch nicht gesund, fühlte sich aber fit genug, um den Heiligen Abend zusammen mit ihrer Familie feiern zu können. Sie hatte sich dazu entschlossen, den Ratschlag von Dr. Werner Frentzen pünktlich zum großen Fest in den Wind zu schießen und sich doch noch an die Arbeit zu machen. Sie fühlte sich gestresst, denn immerhin musste sie die fehlenden Mühen der vergangenen Tage nun in einen einzigen Vormittag verlagern. Was würden wohl ihre drei Enkelkinder sagen, wenn es keine Weihnachtsplätzchen geben würde? Ihren Sohn würde dieser Umstand höchstwahrscheinlich weniger kümmern, aber für Gabriele, Rebecca und Melanie gehörten Omas Weihnachtsplätzchen zum Fest wie der große Weihnachtsbaum, das festliche Essen und die vielen Geschenke.

Als die Großmutter die Schlafzimmertür öffnete, glaubte sie zuerst, sie würde träumen: Hier roch es doch eindeutig nach Plätzchen! Woher konnte dieser Duft nur stammen? War es die Realität oder vielleicht doch nur Einbildung?

"Wahrscheinlich habe ich von Weihnachtsplätzchen geträumt und bilde mir jetzt den Geruch ein.", sagte die Großmutter nachdenklich zu sich selbst. Dann schüttelte sie gedankenverloren den Kopf und ging in die Küche. Und wenn sie nicht schon so viel gesehen und erlebt hätte, wäre ihr an dieser Stelle die Kinnlade nach unten gefallen: Auf dem Küchentisch stand ein riesiger Teller voller selbstgebackener Plätzchen. Nach einigen Sekunden der Verwunderung erinnerte sich die Großmutter wieder daran, wie man von seinen Beinen Gebrauch macht. Ganz langsam ging sie auf den Teller zu, so als ob sie Angst hätte, dass er sich jeden Moment in Luft auflösen könnte. Vorsichtig nahm sie ein Plätzchen in ihre knochige Hand und steckte es sich in den Mund. Kein Zweifel, das waren Vanillekipferl - also genau die Plätzchen, die sie hatte backen wollen. Sie überlegte hin und her, wusste aber nicht, wie so etwas geschehen konnte. Als Kind wurde ihr sehr oft die Geschichte von den Heinzelmännchen vorgelesen. Waren hier etwas ähnliche Kräfte am Werk? Sie kam nicht umhin, den plötzlich freigewordenen Vormittag zu genießen, aber die Sache mit den Plätzchen ging ihr während des gesamten Tages nicht mehr aus dem Kopf. Gedankenverloren ging sie in den Stall und versorgte Caspar, Melchior und Balthasar mit Heu. Eigentlich war die Großmutter eine äußerst scharfsinnige Person, aber die Reste ihrer Krankheit und der unheimliche Zwischenfall sorgten dafür, dass sie ein wenig neben sich stand. Sonst wäre ihr nämlich aufgefallen, dass die drei jungen Pferde, die ihren letzten Tag auf dem Hof verbrachten, ganz müde und geschafft aussahen.

 

Als es jedoch auf den Heiligen Abend zuging und der Besuch auf der Fußmatte stand, dachte die Großmutter nicht mehr an diesen Zwischenfall. Sie begrüßte ihren Sohn und ihre drei Enkelinnen aufs Herzlichste. Sie feierten zusammen, warfen den einen oder anderen Scherz in die Runde und erzählten sich die neuesten Begebenheiten. Sogar ihr Sohn war in ungewöhnlich ausgelassener und festlicher Stimmung. Als Gabriele, Rebecca und Melanie nach dem Abendessen jedoch zum Keksteller griffen und sich über die Vanillekipferl hermachten, musste ihre Oma wieder daran denken, dass sie keine Ahnung hatte, wie die fertigen Plätzchen in die Küche gekommen waren. Sie öffnete den Mund, um zu sprechen, schloss ihn jedoch wieder. Sie würde besser nichts dazu sagen, da sie Angst hatte, dass man sie auslachen oder sogar für verrückt halten würde. Außerdem wollte sie den anderen die besinnliche Stimmung nicht vermiesen. Sie beobachtete ihre drei Enkelkinder dabei, wie sie die Vanillekipferl verzehrten und schaute sie dabei an, als handelte es sich um Gespenster. Und wenn Gabriele, Rebecca und Melanie nicht so begeistert von den Keksen gewesen wären, hätten sie auf der Stelle gemerkt, dass mit ihrer Oma etwas nicht stimmte.

Peinlich berührt versuchte die Großmutter, das Thema zu wechseln. "Dieses Jahr gibt es keine Geschenke von mir, die ihr auspacken könnt.", sagte sie mit betont lässiger Stimme. "Stattdessen wartet im Stall nebenan eine große Überraschung auf euch."

 

Die Enkelkinder, deren Augen vor Aufregung ganz rund wurden und zu leuchten anfingen, blickten ihre Oma gespannt und wortlos an. Schließlich stand die Großmutter auf, streckte ihre Hand nach ihren Enkelinnen aus und forderte sie auf, ihr in den Stall zu folgen. Caspar, Melchior und Balthasar hatten natürlich gewusst, dass dieser Moment irgendwann kommen würde. Allerdings waren sie viel zu beschäftigt damit gewesen, ihren stillen Triumph in vollen Zügen auszukosten: Sie hatten heimlich durch das Fenster gespäht und die drei Enkelkinder dabei beobachtet, wie sie sich die köstlichen Vanillekipferl im Mund zergehen ließen. Selbstsicher und zufrieden grinsten sie sich an. Dabei wieherten sie sich freundschaftlich zu.

"Ich habe von Anfang an gewusst, dass es eine gute Idee ist!", sagte Balthasar, allerdings ein wenig kleinlaut.

"Erzähl mir nichts vom Pferd!", sagte Melchior scharf. "Heute Nacht warst du noch extrem skeptisch und wolltest nicht, dass wir in die Küche gehen und die Weihnachtsplätzchen für Großmutter backen." Allerdings konnte Melchior seinem Kumpanen nicht böse sein: Die Gewissheit darüber, dass die harte Arbeit Früchte getragen hatte, wog viel schwerer als jede strittige Auseinandersetzung.

"Du hast Recht.", gab Balthasar nach einem kurzen Moment des Schweigens zu. "Wir müssen uns bei Caspar bedanken: Er hat von Anfang an daran geglaubt, dass wir es schaffen können."

"Nun werden wir verschenkt.", warf Caspar mit einer Mischung aus Aufregung und Trauer ein: Zwar freute er sich auf die drei Enkelkinder, aber der Gedanke, die alte Dame nicht mehr jeden Tag sehen zu können, behagte ihm nicht.

"Ich bin mir sicher, dass wir auch in der Stadt gut versorgt werden.", sagte Melchior bestimmt. "Sicher haben die Enkel und ihre Eltern einen eigenen Stall."

"Ich hoffe, dass die Eltern der drei Enkel hin und wieder auch mal an Weihnachten krank werden.", sagte Caspar mit einem schelmischen Wiehern. "Was einmal geklappt hat, klappt sicher auch ein zweites Mal."

Für einen kurzen Augenblick starrten Melchior und Balthasar ihren Kumpanen wortlos an, aber nach ein paar Sekunden schnaubten sie vergnügt. Sie konnten die Sehnsucht, die sich hinter dieser eigentlich mehr als unverschämten Hoffnung versteckte, nur allzu gut verstehen.

 

Die Überraschung verfehlte ihre Wirkung nicht: Gabriele, Rebecca und Melanie quietschten vor Freude, als ihnen ihre Oma mitteilte, dass sie jeder von ihnen ein eigenes Pferd schenken würde. Sogar ihr Sohn grinste zufrieden. Und wie Kinder nun einmal sind, wollten die drei sich bis zum ersten Ritt nicht länger gedulden: Er musste sofort unternommen werden, und zwar völlig unabhängig davon, dass es bereits kalt und dunkel war. Die Großmutter erlaubte es, und da der Mond hell am Himmel schien, spendete er den drei frischgebackenen Pferdebesitzerinnen genug Licht für einen leichten Galopp. Dieser spontane Ritt kam Caspar, Melchior und Balthasar sehr gelegen: Erstens freuten sie sich darauf, ihre neuen Besitzerinnen kennen zu lernen, und zweitens konnten sie ein bisschen Bewegung gut gebrauchen. Glücklich schaute die Großmutter ihren drei Enkelkindern dabei zu, wie sie sich um die Pferde kümmerten. Gerade hatte Melanie sich eine Pferdebürste genommen und damit angefangen, Caspars weiche Mähne zu striegeln, als die Großmutter ihren Augen nicht trauen wollte: Das Mondlicht hatte Caspars Gestalt so hell erstrahlen lassen, dass es die Teigreste offenbarte, die noch immer am jungen Pferd klebten. Ein paar Sekunden lang war die alte Dame vollkommen perplex, dann schüttelte sie den Kopf und fing an, stumm in sich hinein zu lachen. Endlich begriff sie, was es mit den fertigen Vanillekipferln auf sich hatte. Mit einem Schlag wusste sie, dass sie jedem ihrer drei Enkelkinder ein ganz besonderes Weihnachtsgeschenk gemacht hatte. Verträumt blickte die Großmutter Caspar und Melanie an, und erneut schien es ihr, als hätte ihr das junge Pferd soeben heimlich zugezwinkert.

 

An dieser Stelle fragt sich der eine oder andere Leser wahrscheinlich, wie in Gottes Namen es drei einfache Pferde schaffen wollen, Weihnachtsplätzchen zu backen. Aber vielleicht sollte man gerade an Weihnachten darauf verzichten, die Dinge durch eine rationale und realistische Brille zu sehen. Als Erwachsener hat man manchmal das undankbare Gefühl, dass das, was wir Realität nennen, nur der kümmerliche Rest jener verzauberten Welt ist, die wir als Kind noch spannend und aufregend fanden. Je älter man wird, desto mehr verschwindet von diesem Zauber. Ironischerweise führt das Erwachsenwerden auf diese Art und Weise häufig dazu, dass der Blick auf die Welt gleichzeitig schärfer und trüber wird: Zwar nimmt man die Dinge klarer wahr, aber sowohl sie als auch die Menschen stumpfen mit der Zeit ab. (Eine Pfütze ist plötzlich eine Pfütze - und kein abenteuerlicher See mehr, der dazu einlädt, in die Rolle von Piraten zu schlüpfen. Ein Schneefall ist plötzlich ein Schneefall, der - wenn überhaupt - Ärger darüber auslöst, dass man am nächsten Tag früher aufstehen und das Auto freischaufeln muss. Und ein Sofa ist plötzlich ein simples Sofa - und kein Fundament mehr, um eine tolle, große und stabile Höhle zu bauen.) Zur Erinnerung: Genau das ist dem Sohn der Großmutter mit der Zeit widerfahren - und zwar mit dem unschönen Ergebnis, dass er sich die kindliche Fantasie, die er wahrscheinlich mehr und mehr als Last empfunden hatte, nicht bewahren konnte. Für ihn ist Weihnachten kein besinnliches Fest mehr, sondern ein simpler Termin im Kalender, der dort gleichberechtigt mit Zahnarztbesuchen und Elternsprechtagen eingetragen wird. Und wenn es nicht so unverschämt wäre, würde er es vielleicht sogar absagen. In diesem Sinne: Auf eine fröhliche und besinnliche Weihnachtszeit. Mögen Sie Ihr eigenes Weihnachtswunder erfahren, damit Sie diese fantasievolle Geschichte vielleicht sogar ein wenig nachvollziehen können.

 

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